Hintergrundinformation Gehirnentwicklung

Um das Konzept der entwicklungsfördernden Betreuung "leben" zu können, ist das Verständnis für die Entwicklung des Gehirns und der Sinnesorgane, aber auch für die Mutter/Vater-Kind-Beziehung von großer Bedeutung.

Entwicklung des Gehirns

Der Entwicklung des Gehirns kommt eine Schlüsselrolle zu, denn im letzten Drittel der Schwangerschaft – das ist genau die Zeit, in der die Kinder auf der Neonatologie sind – und im 1. Lebensjahr findet der größte Entwicklungsschub des menschlichen Gehirns statt.

Die normale Entwicklung des Gehirns setzt die Vermehrung der Nervenzellen (Neuronen) und deren Vernetzung (Synapsen) voraus. Dies ist jedoch nur bei einer adäquaten Reizung der Sinnesorgane (sensorische Stimulation) möglich. Es bedarf also einer Umgebung, in der die Sinnesorgane Reize aufnehmen, und diese Reize über die Nervenbahnen weitergeleitet werden und sich vernetzen. Letztlich entsteht ein Netzwerk aus Neuronen und Synapsen, ähnlich dem Internet oder dem Verkehrsnetz einer Großstadt, natürlich aber viel dichter – es entstehen Milliarden von Neuronen und Synapsen. Die idealen Bedingungen für den Aufbau dieses Netzwerks sind in der Gebärmutter vorhanden.

Entwicklung der Sinnesorgane

Die Haut des Kindes, unser größtes Sinnesorgan, hat in der Gebärmutter durch die Bewegungen der Mutter ständig Kontakt mit der Gebärmutterwand, das Kind berührt auch zunehmend sich selbst. Damit werden die Tastkörperchen in der Haut ständig stimuliert – durch das Fühlen werden die Grenzen des eigenen Körpers wahrgenommen, wodurch wiederum das erste Selbst entsteht.

Der Hörsinn ist bereits in der Mitte der Schwangerschaft weitgehend ausgereift, das ungeborene Kind hört die Stimme der Mutter, sowie Geräusche und Musik aus der Umgebung. Nach der Geburt vermittelt die Stimme der Mutter dem Kind Vertrautheit und Sicherheit.

Ebenso gut entwickelt ist der Geschmack- und Geruchssinn ab der Mitte der Schwangerschaft. Durch das Trinken des Fruchtwassers lernt das Kind die Aromen der mütterlichen Nahrung (z. B. Gewürze) kennen, ebenso wie den Geschmack der Muttermilch, die dieselben Geschmackskomponenten aufweist wie das Fruchtwasser. Auch der Geruch der Mutter ist dem Kind vertraut.

Der Sehsinn ist auch bei reifgeborenen Kindern bei der Geburt noch sehr unreif – die Entwicklung findet in der Gebärmutter in einer dunklen Umgebung statt. Ein geringer Lichteinfall ist für die Entwicklung wahrscheinlich erforderlich.

Mutter/Vater-Kind-Beziehung

Die Trennung von der Mutter nach der Geburt bedeutet für das Neugeborene ein völlig anderes taktiles Erleben. An die Stelle mütterlicher Berührung tritt bei Frühgeborenen der Aufenthalt im Inkubator; der für die Entwicklung des Kindes so wichtige Beziehungsaufbau kann nur eingeschränkt stattfinden.

Aus dem Wissen der sensorischen und der zerebralen Entwicklung ergeben sich zwei Konsequenzen:

  • Die normale Entwicklung der Sinne ist der Grundstein für die zerebrale Reifung, die menschliche Kommunikation auf allen Ebenen und die Entwicklung zu einem Individuum.
  • Faktoren wie die Förderung von physiologischen Stimuli und die Förderung des ungestörten Bindungsaufbau durch intensiven Kontakt mit den Eltern, aber auch eine entwicklungsfördernde Betreuung und Umgebung ermöglichen die optimale, individuelle Entwicklung von frühgeborenen Kindern.